Mehr als 30 Personen waren gekommen, um Marno Howald zu hören und zu erleben. Etwas mehr jüngere Menschen hätten wir uns gewünscht, aber dafür war wohl das Angebot an diesem Tag zu vielfältig. Trotzdem war es ein wunderschöner und inspirierender Abend. Die Eröffnungsrede hielt André Hilbers.

Guten Abend, mein Name ist André Hilbers und ich darf Sie im Namen des Bündnisses „Ritterhude ist bunt“ zu diesem Konzertabend begrüßen.
Für alle, die diese Initiative noch nicht so genau kennen, möchte ich ein paar Worte darüber verlieren. Im letzten Jahr wurde sie von einer Handvoll Menschen gegründet, die sich gegen Extremismus jeglicher Art und für eine vielfältige und tolerante Gesellschaft engagieren wollten. Seitdem ist die Gruppe stetig gewachsen und tritt vermehrt auch öffentlich in Erscheinung, z. B. durch Veranstaltungen wie diese hier.
Der Termin für dieses Konzert wurde nicht zufällig gewählt.
Morgen, am 9. November, jährt sich der Beginn der Novemberpogrome von 1938. Das war damals eine Zäsur, als die zunächst verbale Ausgrenzung und Diffamierung der Mitbürger:innen jüdischen Glaubens umgeschlagen ist in offene Gewalt und letztlich in systematische Verfolgung und Ermordung. Aber es fängt immer mit verbalen Grenzüberschreitungen an.
Und heute? Extremistisches, insbesondere rechts-extremistisches bzw. rassistisches Gedankengut verbreitet sich in unserer Gesellschaft derzeit erschreckend schnell und weitreichend – auch dank der Möglichkeiten, die die moderne Informationstechnik, Stichwort Social Media, heutzutage bietet. Wobei der Begriff eigentlich unpassend ist – es sind tatsächlich unsoziale Medien. Aufgrund der Menge an Informationen sorgen sogenannte Algorithmen dafür, dass Filterblasen entstehen, in denen nur noch Inhalte mit ähnlicher Stoßrichtung wahrgenommen werden.
Wer sich also nur dort informiert – und das sind immer mehr Menschen –, ist nicht umfassend, sondern einseitig informiert. In diesen Blasen sinkt aber auch die Schwelle dessen, was man sich traut zu äußern, und es scheint, als wäre das die Mehrheitsmeinung. Häufig werden entsprechende Statements eingeleitet mit: „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen…“
Ja, die Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut. Und dennoch muss man sich der Wirkung seiner Worte bewusst sein und Verantwortung übernehmen. Deswegen ist es keine Randnotiz, wenn die Begrifflichkeit des „Problems im Stadtbild“ verwendet wird – denn damit wird ein Narrativ der extremen Rechten bedient. Und wenn man, statt einzuordnen und zu differenzieren, erklärt, dass „unsere Töchter schon wüssten, von wem gesprochen wird“, dann muss man sich der Wirkung und Verantwortung solcher Worte bewusst sein.
Wie will man denn diejenigen unterscheiden, die in dritter oder vierter Generation hier leben und voll integriert sind, von denen, die überhaupt nur für Abschiebungen infrage kommen? Angesprochen fühlten sich jedenfalls auch die Angehörigen der ersten Gruppe – und das ist schädlich für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft.
Die jüdischen Mitbürger:innen dieses Landes waren damals ein integraler Bestandteil der Gesellschaft, z. B. der kulturellen Landschaft. Und da wir heute zu einem Konzert hier sind, nenne ich als Beispiel die „Comedian Harmonists“ – sie bestanden zur Hälfte aus Menschen jüdischen Glaubens. Wie sollte man da differenzieren? Indem man die Schaufenster jüdischer Geschäfte beschmierte, sie einschlug oder Synagogen anzündete. Und indem man diejenigen, die man ausgrenzen wollte, für alle sichtbar einen Judenstern tragen ließ.
Ich will nicht behaupten, dass wir heute schon wieder an demselben Punkt sind oder kurz davor. Aber die Methoden derjenigen, die eine Gesellschaft spalten wollen, und die Mechanismen, die zu Ausgrenzung, Hass und Gewalt führen, sind immer die gleichen. Und deshalb heißt es, wachsam zu sein, auf solche Entwicklungen hinzuweisen und deren mögliche Folgen anzumahnen.
Das ist die Aufgabe, die sich das Bündnis „Ritterhude ist bunt“ auf seine Fahne geschrieben hat. Einige Vertreter:innen sind heute Abend natürlich auch hier – unter anderem der Vorsitzende – und stehen in der Pause und nach dem Konzert gern zum Gespräch bereit. Weitere Mitstreiter:innen sind herzlich willkommen. Schließen Sie sich also gern der Initiative an, denn es soll auch im nächsten Jahr weitere Veranstaltungen und Aktionen für eine vielfältige und tolerante Gesellschaft geben.
An dieser Stelle möchte ich mich beim Vorstand und der Pastorin der St.-Johanneskirche dafür bedanken, dass sie ihr Haus für diese Veranstaltung geöffnet und ihr einen so stimmungsvollen Rahmen geboten haben.
Falls Sie sich übrigens wundern, dass Sie keinen Eintrittspreis bezahlt haben – wundern Sie sich zu Recht. Natürlich hat dieser Abend einen Wert, und auch wenn dieser kaum in Euro zu beziffern ist, so wäre es doch erfreulich, wenn Sie diesem Konzert einen individuellen Wert beimessen, indem Sie am Ausgang die bereitgehaltenen Hüte füllen. Wenn Sie dabei Aufmerksamkeit vermeiden möchten, empfehle ich die leise Variante aus Papier.
Nun aber zum heutigen Künstler, an den ich gleich für den Rest des Abends übergeben möchte:
Er versteht es wunderbar, Musik und Worte miteinander zu verbinden – mit viel Gefühl und Leidenschaft, von nachdenklich bis eindringlich, von ernst bis humorvoll, aber immer mit einer unmissverständlichen Botschaft. Es sind Botschaften zu den Themen Liebe, Leben und Politik – Botschaften, die gehört werden sollten.
Deswegen bin ich froh, dass sich dieser besondere Künstler bereit erklärt hat, den heutigen Abend musikalisch zu gestalten.
Er nennt sich selbst einen augenzwinkernden, polarisierenden Liedermacher, der sich voll und ganz seinen Gefühlen hingibt – bitte geben Sie sich nun ihm voll und ganz hin:
🎶 Marno Howald!